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Kyffhäuser Sommertage 2001 |
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Pressemitteilung Kunstprojekt zu den Kyffhäuser Sommertagen in Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Universität Weimar Text zum Bodenbild "Raub der Europa" |
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stellt nicht nur aufgrund seiner räumlichen Dimensionen eine große
Herausforderung für jeden Künstler dar, der mit einer Bearbeitung
oder Interpretation der Denkmalanlage beauftragt wird. Auf einem massigen Unterbau thront ein etwa 80 Meter hoher Turm aus Sandstein, der in einem kronenartigen Aufsatz gipfelt und die Landschaft weit überragt. Dieses Denkmal und seine Sage um den mittelalterlichen Kaiser Barbarossa diente einst der Huldigung an Kaiser Wilhelm I. und dessen Verdienste um die Reichseinigung von 1871. Im Laufe der letzten 50 Jahre fand die Anlage vor allem in ihrer Funktion als Aussichtspunkt und Wanderziel Verwendung und regen Zuspruch. Auf die Nordkante des Kyffhäuser-Gebirges gesetzt - an der Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt - bietet der Turm einen weiten Blick über Ortschaften, Felder und Waldstücke. Diese Ansichtsqualität zeigt sich als wesenbestimmendes Merkmal der Anlage und wurde damit zur Arbeitsgrundlage für unser künstlerisches Projekt. In einer Gegenwart, geprägt vom Zusammenwachsen Europas, verlieren nationale Standpunkte immer weiter an Bedeutung, werden überflüssig oder gar hinderlich. Die Internationalisierung sowohl der Produktion als auch der Konsumtion ist ein Ergebnis der Hochentwicklung der Industriestaaten und damit ein unaufhaltsamer Vorgang. Die Aussicht der europäischen Staaten auf einen kontinentalen Länderverbund stellt - trotz aller Komplikationen - die einzige glaubhafte Alternative zur Lösung politischer, religiöser und wirtschaftlicher Konflikte in Europa dar. Die Aktualität dieser Einsicht veranlaßt uns zur Konzeption einer künstlerischen Arbeit, bei welcher sowohl das Motiv als auch das Ziel die perspektivische Ausrichtung von nationalstaatlicher Sicht auf die fortschreitende Europäisierung bildnerisch aufgreift. Konkret ist die Schaffung eines Bodenbildes am Fuße des Kyffhäuser-Denkmals vorgesehen. Auf einem Feldstück von etwa 450 x 450 Metern wird - nachdem die Ernte erfolgt ist - eine Konturzeichnung, unter Zuhilfenahme von Traktor und Pflug, in den Acker gefräst. Damit ist das etwa 1 Kilometer vom Denkmal entfernte Bodenbild angemessen dimensioniert und liegt - dem Denkmalbesucher zugewandt - wie durch einen Riesenfinger gezeichnet, in der Landschaft. Die Verzerrung, welche durch die schräge Aufsicht vom Denkmal auf das Bild entsteht, wird im Entwurf der Zeichnung berücksichtigt und ausgeglichen, so daß die Zeichnung perspektivisch auf das Denkmal ausgerichtet ist. Als Bildfigur ist die Wahl auf ein europäisches "Ur-Motiv" gefallen, das seit der Antike in den verschiedenen Interpretationen auftritt: der "Raub der Europa". Unsere Darstellung dieses Motives zeigt einen Stier, auf dessen Rücken ein Mädchen sitzt, das - durch ihre Haltung darstellt - einen Blick zurückwirft. (Der griechischen Sage nach soll Zeus sich in Gestalt eines Stieres der am Strand spielenden Tochter des phönizischen Königs Agenor genähert und diese durch eine List auf seinem Rücken nach Kreta entführt haben.) Als Bildmotiv ist der "Raub der Europa" konkret und offen zugleich, so dass der Spielraum für persönliche Auslegungen möglichst weit gefächert ist. Die großen Bodenbilder an verschiedenen Plätzen der Welt haben bis heute von ihren Faszination nichts eingbüßt, ihre einfache und symbolische Bildsprache braucht keine erklärende Schrift, da sie vom reinen Schau-Wert lebt. Lebendig wird das Bodenbild - so wie die Landschaft - vor allem durch das Erleben des Betrachters. Charakteristischer Bestandteil unserer künstlerischen Konzeption ist die Wahl der Mittel zur Ausführung der Arbeit. Material und Werkzeug - also Feld und Pflug - sind vor Ort vorhanden und damit fester Bestandteil der Lebensrealität der Menschen in der Umgebung. Die Bild-Erzeugung verursacht also keinerlei Rückstände oder schädliche Emissionen. Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt des Kyffhäuserkreises in Sondershausen, dem Personal des Kyffhäuser-Denkmals, dem Landwirtschaftsbetrieb Fa. Schröter & Niederhäuser und den Studenten der Bauhaus-Universität Weimar weist bestimmte soziale Qualitäten auf, die für eine sinnstiftende gesellschaftliche Arbeit unabdingbar sind. Die Identitätsbildung einzelner Landstriche im vereinigten Europa wird zukünftig mehr denn je von regionalen Aktivitäten bestimmt werden, da der Nationalstaat diese Aufgabe nicht erbringen kann. Eine künstlerische Arbeit, die mit ihren eigenen Bedingungen, der Zeit und dem Ort ihres Erscheinens in Übereinstimmung ist, erzeugt Identität. Die Identität aber ist die Voraussetzung für jedwede Lebensqualität - für den Einzelnen ebenso wie für Gemeinschaften. In diesem Sinne glauben wir mit unserer Arbeit ein treffendes Bild in bezug aus die genannten Sachverhalte entworfen zu haben. Das Riesenbild "Raub der Europa" wird - ab Ende Julei 2001 vom Kyffhäuser-Denkmal aus - für etwa zwei Wochen zu sehen sein. Viel Freude wünscht Heinz Flottran + Team |