Chronik unseres Ortsvereins


Der Gründer des Roten Kreuzes Henry Dunant

 
 

Sie wurde zusammengestellt auf der Grundlage von Gesprächen mit dem Mitbegründer des Vereines Otto Skibbe und anderen Mitgliedern, statistischen Aufzeichnungen und archivierten Dokumenten.

Verfasser: Kamerad Hans-Jürgen Bobbe

Gründung

Über die Roßlebener Zeitung wurde ein Aufruf an die Bürger der Gemeinde Roßleben gerichtet, eine freiwillige Sanitätskolonne zu gründen. Unterzeichnet hatten die damaligen Sanitäter Karl Scheibe, Robert Haupt und Ernst Schulze.

Die ersten Jahre

Aufgenommen wurden damals nur Männer ab 18 Jahren. Aus diesem Jahr liegt im Vereinsarchiv noch ein Mitgliederverzeichnis vor.

Die beiden Ärzte, Sanitätsrat Unbehaun und Dr. Alfred Wiegner, übernahmen die Sanitätsausbildung der Mitglieder. Mit großer Liebe wurde der Unterricht durchgeführt und fand das entsprechende Interesse bei den 16 Teilnehmern des ersten Kurses. Die beiden Ärzte ließen es sich auch nicht nehmen, nach jedem Lehrtag zwei Siphon (10 Liter) Bier zu kredenzen.

Nach und nach bildeten sich auch in den anderen Orten freiwillige Sanitätskolonnen. Deshalb machte es sich organisatorisch erforderlich, alle im Kreis Querfurt zusammenzufassen.

Als erster Kreiskolonnenführer wurde der Unternehmer Richard Jäckel aus Querfurt bestimmt. Schließlich gab es in seinem Geschäft fast alles - nur keine Eisenwaren und Lebensmittel. Neue Geschäftsbereiche wurden eine "Goldgrube", denn von nun an führte er auch Verbandsstoffe und alles was man in der Ersten Hilfe benötigte. Von ihm wurden alle Sanitätskolonnen beliefert - und es waren nicht wenige!

Die erste Vorstandsgründung


Ihr gehörten Sanitätsrat Herr Unbehauen, Herr Dr.med. Alfred Wiegner, der Unternehmer William Schwarz als Hauptkassierer und als Repräsentanten die angesehenen Bürger Herr Max Dölgner (auch liebevoll Schiebermaxe genannt) und der Friseur Herr Karl Scheibe an. Sie alle erwarteten durch die Mitgliedschaft natürlich auch einen besseren geschäftlichen Umsatz.

Vereinsleben


Der Unterricht und die Zusammenkünfte fanden in der Gaststätte "Deutsches Haus" statt. Der Wirt Paul Krause war ebenfalls Mitglied des Roten Kreuzes und immer sehr spendabel. Er stellte stets einen Arbeitsraum zur Verfügung, der aber schnell zu klein wurde, da inzwischen verschiedenste Materialien durch die Kreisverwaltung Querfurt zur Verfügung gerstellt wurden. Der Wirt empfahl deshalb dem Verein, unter der Bühne des Kinos einen dort vorhandenen Raum einzurichten. Dem Bauunternehmer Richard Haucke - auch DRK-Mitglied - ist es zu verdanken, daß dann sehr schnell dieser Raum genutzt werden konnte.

Frauen und Männer waren im Sanitätswesen der Gründerjahre getrennt. Die Männer gehörten dem Landesverein "Preußen" an, unterstützt vom preußischem Männerverein des Roten Kreuzes. Die Frauengruppe gehörte dagegen dem vaterländischen Frauenverein des Roten Kreuzes an. Leiterin war die Gattin des Sanitätsrates Herr Unbehaun und bekam noch zusätzliche Hilfe durch ihre Tochter, Frau Wollenhaupt.

Gemeinsam wurden auch Theaterstücke eingeübt und andere interessante Veranstaltungen durchgeführt. Das steigerte die Attraktivität des Roten Kreuzes und verbesserte das kulturelle Angebot für alle Bürger.

Übungen


Der Kreiskolonnenführer Jäckel faßte alle Kolonnen zusammen und organisierte Kreisverbandsübungen. Unsere Gruppe nahm an solchen Übungen in Nebra, Laucha, Freyburg, Querfurt und Mücheln teil. Dem Verein stand zum damaligen Zeitpunkt noch kein Auto zur Verfügung. Zu allen Terminen nutzten die Männer immer die Eisenbahn. Roßleben stellte die stärkste Gruppe, denn das Interesse war stets groß. Die beiden in Roßleben praktizierenden Ärzte waren eifrige Werber für das Rote Kreuz und gewannen dadurch auch eine Vielzahl von Sponsoren. Dadurch wurde die Vereinsarbeit mit beträchtlichen Beträgen unterstützt.

Der erste Krankenwagen


Ein großer Zeitungsartikel berichtete damals über die Großzügigkeit des Landrates Dr. von Wanderslepp. Er stellte dem Roten Kreuz einen Krankenwagen als Geschenk zur Verfügung. Der erste Fahrer war Max Dölgner, im Volksmund "Schiebermax" genannt. "Schiebemax" Dölgner organisierte mit dem Geschäftsmann Weise die ersten Sanitätsmützen.

In der Zeit des Nationalsozialismus


Hitler kam an die Macht. Zwei unserer Kameraden aus Roßleben traten der Nazipartei bei. Von ihnen wurde verlangt, ein "Rotes Hakenkreuz" zu gründen. Dies gelang aber nicht.

Vereinspause


August 1939. Der Krieg kam und alle Sanitäter wurden in eine Sanitätskompanie gesteckt und damit der Verein zur Untätigkeit verurteilt. Von 750 Mann wurden die sieben Besten für ein Feldlazarett ausgesucht. Unter diesen waren auch Otto Skibbe und Paul Schreck. Die Ausbildung im Lazarett war streng wie in einer Strafkompanie. Otto Skibbe hatte Glück im Unglück. Durch mehrere schwere Krankheiten wurde er noch vor Kriegsende entlassen. Er half aber zu Hause wieder wo es erforderlich war und gab nicht auf, neue Mitglieder zu suchen.

Besatzungszeit und Verbot


Nach dem Einmarsch der Amerikaner und Russen wurde das Rote Kreuz alsbald verboten. Unser Verein versuchte - trotz drohender harte Strafen - eine Rot-Kreuz-Arbeit für die geschundenen Menschen weiterzuführen.

Da das Rote Kreuz verboten war, durften wir auch keine Sachen oder Abzeichen tragen, die auf unsere Organistaion hinweisen konnten.


 

Die Kameraden des Roten Kreuzes hielten zusammen - obwohl sie sich noch nicht in eienem Verein organisieren durften - und halfen, wo es nötig war. Im Herzen blieb immer, was einmal gelernt, um Gutes zu tun.

In Zeitungen wurde bekannt, daß dort, wo sich Hilfeleistungen bewährt haben, Zusammenschlüsse genehmigt werden. Die Roßleber Kameraden wurden als sogenannter "Gesundheitsdienst" geführt. Später durften wir uns ab 1952 wieder Deutsches Rotes Kreuz der DDR nennen.

Am 12. November 1952 wurde eine erneute Gründungsversammlung ausgerufen. Sie fand in der Gaststätte Berger statt. Kamerad Albien Bauer hatte ein Schild entworfen mit der Aufschrift: "Helft uns Helfen!".


Immunisierung gegen Kinderlähmung

Kreisumstrukturierung 1954


Nach der Umstrukturierung gehörten wir ab 1954 zum neu gebildeten Kreis Artern/Berzirk Halle. Im Kreis Artern wurde für das DRK Otto Skibbe als Kreisvorsitzenden vorgesehen. Leider hatte man Herrn Skibbe nicht erreichen können, denn er war im Urlaub. Der Wahltermin mußte aber eingehalten werden. So wurde kurzerhand von der Bezirksleitung der Kamerad Fritz Hautahl aus dem Dachziegelwerk Voigtstedt benannt. Sein Büro war im Schloß Bad Frankenhausen, da in Artern kein Platz vorhanden war. Otto Skibbe wurde kommissarisch nur als Stellvertreter eingesetzt.

Der DRK-Kreisverband bekam 1956 seinen ersten Krankenwagen. Nach und nach wurden es drei Krankenwagen, von denen zwei einem Brand durch Kurzschluß zum Opfer fielen.

Zum erste Kreiskommiteevorsitzenden wurde der in Roßleben ansäßige Zahnarzt Karl Moog gewählt. Moog war sehr beliebt, weil er sich in allen Fragen voll fürs DRK einsetzte. Seine Sekretärin war Frau Ehrhardt.

Eines Tages kam ein unbekannter Mann aus Halle - auch mit Namen Ehrhardt - und brachte Herrn Skibbe in Roßleben die Nachricht, daß Moog bei Nacht und Nebel die "DDR" verlassen hätte und richtet die Frage an Kamerad Skibbe, ob er hier nicht Fluchthelfer gespielt hätte? Gemeinsam wurde dann die Wohnung Moogs besichtigt, in der sich kein Stück mehr befand. Von nun an oblag Herrn Skibbe die gesamte Arbeit im Kreis. Herr Skibbe mußte nicht nur die "Republikflucht" verkraften, sondern auch weitere Schwierigkeiten traten auf. Ein Krankenfahrer hatte z.B. gestohlene Schweine im Krankenwagen transportiert. Kamerad Günter Hartung brachte es vorsichtig Kamerad Skibbe bei, da er von der schweren Erkrankung seiner Frau wußte. Eine schwere Entscheidung für Skibbe und die Polizei: Das Urteil - ein strenger Verweis für den Fahrer.

Neuwahlen im Kreis


Die Neuwahl des Kreiskommitees brachte neue Gesichter. Der Oberarzt des Krankenhauses in Bad Frankenhausen , Herr Dr. Kuhnt, wurde als Vorsitzender gewählt. 25 Jahre war Otto Skibbe dessen Stellvertreter - Fritz Köhler Kreissekretär. Die erste Kreisdelegiertenkonferenz unter Dr. Kuhnt fand im Saal der Brauerei Artern statt. Den Bericht brachte aber der Stellvertreter Herr Skibbe ein.

Altershalber trat Herr Otto Skibbe 1957 in Roßleben vom Vereinsvorsitz zurück, da er den Vorsitz in guten Händen von Herrn Gerboth glaubte. Doch in Herrn Gerboth hatte man sich getäuscht. Alle Unterlagen waren für ihn nur alter Papierkram. Er vernichtete fast alles, was für die spätere Geschichte des DRK von Bedeutung sein konnte. Schade, denn andere Kameraden mußten später Wissenslücken überbrücken.

Bildung von DRK-Gliederungen in Roßleben


Durch gesetzlichen Vorschriften begründet, entstanden weitere Gliederungen des DRK in Roßleben, so unter anderem im Kaliwerk "Heinrich Rau"und in der damaligen Schuhfabrik "Paul Schäfer". Die Organisation im Kaliwerk war die größte in Roßleben.
In der ehemaligen Sanitätsstelle an der alten Grubenkaue fungierte zwar noch kein DRK - Vorsitzender, aber Robert Haupt war ein engagierter Sanitäter. 1957 trat Walter Meschke in seine Fußstapfen. 1961 wurde erstmals Rolf Laue als DRK-Vorsitzender gewählt. Aufgrund zu geringen Interesses der damaligen staatlichen Leitung im Kaliwerk für die traditionelle DRK-Arbeit, stagnierte leider auch die Arbeit des DRK im Werk. So gründete Herr Laue als Ersatz den Grubenhilfsdienst, der zeitgleich zur notwendigen Grubenwehr mehr Aufmerksamkeit seitens der Werkleitung erhielt. Die DRK-Grundorganisation selbst übernahm ab 1964 bis 1966 Herr Joachim Ogrisek. Ab 1967 bildete sich dann ein ZV-Sanitätszug, der innerhalb der Zivilverteidigung der damaligen DDR aus politischen Gründen heraus gebildet wurde.

1967 stand erstmals mit Frau Sanitätsrat Obst eine Frau an der Spitze der DRK-Organisation in Roßleben. Ihr Hobby zu helfen und ihre Funktion als engagiertes DRK-Mitglied führte sie in den Beruf des Arztes, den sie bis 1996 mit ganzer Liebe ausfüllte. Im November 1993 beging sie ihr 30-jähriges Dienstjubiläum als Arzt in der Gemeinde Roßleben. Für ihr Engagement gilt ihr der besondere Dank des DRK und aller Bürger. Frau SR Bärbel Obst versuchte immer mit viel Geschick und durch ihren guten Stand als Werksarzt in der Leitung des Kaliwerkes, dem DRK zu neuem Ansehen zu verhelfen. Viele Veranstaltungen waren auf der Tagesordnung und wurden durch den Kreissekretär Köhler sowie durch die hervorragenden Mitgliedern wie die Herren Nolze, Laue, Stern, Kirsch, Frau Heunemann, die Schwestern Lehmann, Schumann oder auch durch Herrn Bobbe unterstützt und vorbereitet.

Zeitmangel trugen dazu bei, daß am 26. Juni 1983 das aktive Mitglied Hans-Jürgen Bobbe gewählt und die Arbeit des DRK als Vorsitzender von Frau Obst fortführte. Frau Obst erklärte sich stets bereit, als Stellvertreter mitzumachen und die erworbenen Erfahrungen weiterzugeben. Herr Bobbe ist bemüht, die DRK-Arbeit im Sinne des Gründungsmitgliedes Otto Skibbe fortzuführen.

Wende zum Guten


Die politischen Verhältnisse und der wirtschaftliche Verfall in der damaligen DDR sowie die damalige politische "Großwetterlage" führten das deutsche Volk zur Wiedervereinigung. Zwei deutsche Rotkreuz-Organisationen wurden wieder eins! Jedoch war es ein schwerer und erneuter Anfang. Neue Mitglieder mußten geworben werden! Menschen, die oft arbeitslos waren, Angst vor der Zukunft hatten und relativ wenig Geld zur Verfügung hatten und damit ihren Antrieb zu gesellschaftlichen Veränderungen verloren hatten.

1991 wurde der erste DRK-Vorstand in Roßleben im wiedervereinigten Deutschland gewählt. Bis zum heutigen Tag konnte die Zahl der Mitglieder wieder auf 382 gesteigert werden. Seit dem 1.1.1996 besteht ein Jugendrotkreuz mit ca. 60 Jugendlichen. Ein neuer DRK - Kreisverband ist bestrebt, neue Ortsvereine zu begründen. Wie eh und je werden Menschen gebraucht, um anderen Menschen zu helfen!

DRK -Großeinsätze

1941: Durch einen Eisenbahner arlamiert hörte man in Roßleben, daß zwischen Nebra und Roßleben zwei Züge zusammengestoßen waren. Schnelles Handeln war angesagt! Zu erreichen waren nur die Kameraden Willi Schreck und Otto Skibbe. Ein PKW und Anhänger wurde schnell mit Tragen und Verbandsmaterial beladen. Dann im Eiltempo zur Unfallstelle. Wege waren dort nicht vorhanden. Auf einer Seite das Unstrutufer und andererseits der hohe Steinbruch. Was war geschehen? Im ehemaligen Lokschuppen (Ort Wangen) hatte sich die Firma Junkers angesiedelt und stellte dort Flugzeugteile her. Die Belegschaft bestand aus Dienstverpflichteten und Kriegsgefangenen. Ein Personenzug pendelte zwischen Nebra und Laucha für diese hin und her. Der Zug mußte immer aus der Werksanlage auf das Hauptgleis Artern - Naumburg rangiert werden. An diesem Tage war Fliegeralarm und somit durften auch nachts die Züge nicht mit Beleuchtung fahren. Der Naumburger Zugführer sah deshalb den Werkszug nicht und riß ihn in der Länge nach auf. Die ankommenden und eingesetzten Kameraden hörten nur Gestöhne und wahnsinnige Schreie. Durch die Trümmer fand man kaum zu den Verletzten und Eingeklemmten, sondern konnte sich nur dem Stöhnen und Schreien nach richten. Ein Verletzter wälzte sich vor lauter Schmerzen hin und her. In der Dunkelheit waren die Verletzten kaum zu erkennen. Nur durch viel klebrige Flüssigkeit und Einzelteile merkte man plötzlich, daß ein Unterschenkel oder andere Glieder fehlten. Wieviel Tote und Verletzte es waren, hatte man niemals erfahren können. Die Krankenhäuser Nebra, Naumburg, Querfurt, Weißenfels, Eisleben und Halle mußten die Masse der Verletzten aufnehmen.

12.04.1945 : Die Amerikaner marschierten in Roßleben ein. Vor dem Einmarsch wurde noch das Kaliwerk bombardiert. Etwa 40 Bomben wurden abgeworfen. Ungefähr 10 davon fielen ins Werk. 9 Tote und viele Verletzte mußten versorgt werden. Der Lokschuppen, 2 Salzschuppen, die Hauptwerkstatt, Schmiede und Schweißerei sowie die Kaue gingen bei Schichtwechsel in Trümmer. Von den anwesenden Kameraden wurden der Schlosser Gustav Pfeil unter den Trümmern hervorgezogen. Otto Skibbe verhedderte sich mit den Beinen. Es waren die Gedärme des Schlossers Pfeil, der in der Körpermitte durchtrennt war. Einem abgeschossenem Flieger konnte auch keine Hilfe mehr gebracht werden, weil der Wald brannte und weiter oben noch Munition explodierte.

Die Geschichte des DRK- Ortsvereins Roßleben wird in einer umfangreichen, mit viel Fleiß zusammengetragenen Chronik weitergeführt auch an dieser Stelle auf unseren Internetseiten von Zeit zu Zeit vervollständigt werden.

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